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Artikel vom 04.08.2013

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Jürg-Peter Lienhards Lupe

Elsässsische Misswirtschaft

Neuer Direktor für das Ecomusée d'Alsace gesucht

Man muss es deutlich sagen: Die elsässische Regierung hat eines der bemerkenswertesten Werke am Oberrhein kaputtgemacht!

Von Jürg-Peter Lienhard



Gut gefütterter und jetzt entlassener «Direktor»: gut gefüttert auf Kosten und im gemachten Nest der Gründer-Equipe.


Nach sieben Jahren effektivem Missmanagement durch seinen inkompetenten Gelegenheits-Direktor suchen die Mitverantwortlichen einen neuen «Direktor» für das Ecomusée d'Alsace in Ungersheim.

2006 wurde es durch einen geschickt eingefädelten politischen Schachzug, angeführt von einem kulturfernen Sportlehrer in der Funktion des oberelsässischen Generalratspräsidenten der oberrheinischen Bevölkerung buchstäblich gestohlen, indem es dem in der Nachbarschaft hauruck angesidelten und inzwischen bankrott gegangenen Plastikpark «Bioscope» einverleibt worden war.

Allein mit dem Zweck aus dem Freilichtmuseum mit wissenschaftlichem Status ein rein wirtschaftliches Profit-Center zu machen, damit es keine weiteren staatlichen Subventionen mehr beanspruchen müsste. Dafür wurden die Gründer-Equipe unter der Leitung des charismatischen Gründers Marc Grodwohl sowie 160 Arbeitsplätze geopfert.

Der jetzt «à l’amiable» (in gegenseitigem Einverständnis) abtretende Direktor, von Beruf Küchen-Patissier und zuletzt Berufsschullehrer an einer Hotelschule im Unterelsass, hat es fertiggebracht, das Salon-Karussel «Demeyer», Glanzpunkt in der Sammlung der Jahrmarktgeschäfte, zu verkaufen und das zu Lehrzwecken unverbaute Fachwerk des Hauses von Hagenbach zuzumauern.

Seine Bilanz bezüglich der Besucherzahlen ist zudem mehr als dürftig, zumal unter seiner Direktion etliche Gebäude und Einrichtungen sträflich vernachlässigt wurden, geschweige denn dass er zu einer wissenschaftlichen und konservatorischen Tätigkeit fähig war.

Die elsässische Politik machte dem Ecomusée d'Alsace unter Grodwohl den Garaus, indem ihm die versprochenen Subventionen nur unter der Bedingung ausbezahlt wurden, dass er seine Funktionen abgibt. Stattdessen warfen die elsässischen Politiker 33 Millionen Euro für das «Bioscope» zum Fenster hinaus…

Grodwohls Verhängnis war, dass das Museums-Dorf mit über 72 Gebäuden die «kritische Grösse» überschritt und die Betriebskosten nicht mehr mit den Eintritten und den Einnahmen aus den Restaurants und der Hotelanlage allein bestritten werden konnten und er seit Jahren vergeblich regelmässige öffentliche Gelder für die Betriebskosten forderte. Der fortschreitende Ausbau war ein Erfordernis um zumal das lokale Publikum stets von neuem anzulocken und den Besuchern aus ferneren Gegenden genügend Anschauungsmaterial für sogar einen mehrtägigen Aufenthalt zu bieten.

Die nach dem Rauswurf der Gründer-Equipe von der Regierung eingesetzte Leitung des Rumpf-Museums ist rein nebenamtlich beschäftigt und stammt aus fachfremden Berufen und verfügt ebenfalls weder über volkskundliche noch sonstige wissenschaftliche Kompetenz. Das umfangreiche Dokumentationsmaterial, das Grodwohl und seine Mitarbeiter in den rund 1’000 Dörfern der beiden elsässischen Departemente gesammelt oder erstellt hatten, ist vernichtet worden, so dass der von Grodwohl angestrebte Museums-Status nicht erhalten werden konnte.

Die elsässische Presse hat die Thematik nie in Zusammenhang mit der politischen Spitze gebracht und meist nur untertänig verklausuliert oder gar nicht angetönt, geschweige denn den politischen Skandal zur Sprache gebracht. Hingegen sind die Vorgänge rund um das Ecomusée d'Alsace und in Zusammenhang mit dem bankrotten «Bioscope» allen Meinungsträgern bekannt, aber nur hinter vorgehaltener Hand und nie öffentlich sprechen sie vom Skandal, aber sie haben sich gleichwohl nie für den Gründer Marc Grodwohl und seine Equipe exponiert. Grosse Ausnahme sind die Strassburger Künstler, allen voran Eric Sambert, der sogar ein Lied komponierte und textete. Titel: «Soïdumm»…


PS: Im Ecomusée d'Alsace steckt viel Geld zumal aus der Region Basel: Nicht nur wurde das Ecomusée d'Alsace unter Marc Grodwohl von verschiedenen Basler Institutionen finanziell unterstützt - darunter die Lotteriefonds der beiden Kantone Basel-Stadt und Baselland -, sondern alle Grossbetriebe der Nordwestschweiz, angefangen von Roche über Novartis bis zur Migros organisierten Grossanlässe im Ecomusée d'Alsace. Die Schweizer Mustermesse brachte mehr als einen Kongress-Ausflug ins Museumsdorf - einmal gar mit 17 Personenschiffen via Rhein und Kanal. Die «Basler Zeitung» berichtete regelmässig, lancierte zur Eröffnung am 9. Juni 1984 ein fünfseitiges Sonder-Magazin (siehe Archiv-Artikel, Link untenstehend), und elf Medien im deutschprachigen Teil des Dreiländerecks veröffentlichten unter dem Titel «Gugelhopf-Rosinen» den wöchentlichen Veranstaltungskalender des Ecomusée d'Alsace sowie der Agenda mit lohnenden Ausflugszielen im ganzen Elsass.

Der hauptsächlichste Effekt dieser politisch angeordneten Misswirtschaft jedoch betrifft ausgerechnet die elsässische Wirtschaft. Es wurde nicht etwa ein banales «Nostalgie-Museum» geopfert, sondern eine Initiative, die weit in die elsässische Gesellschaft hinausstrahlte: Als Wirtschaftsfaktor durch die Belebung des Tourismus, durch die Arbeitsplätze, durch die kulturellen Initiativen, die ihren Ursprung im Ecomusée d'Alsace nahmen, anderswo weiterlebten und erneut Aktivitäten generierten, die schliesslich der Gesellschaft zugutekamen. Ein diesbezüglich einleuchtendes Beispiel sind die 17 (siebzehn!) Niederlassungen japanischer Firmen im Elsass, die auf einen vom damaligen Wirtschaftsförderer André Klein vermittelten privaten Besuch japanischer Touristen im Ecomusée d'Alsace zurückzuführen sind: Die Japaner waren von der innovativen Anlage des Ecomusée d'Alsace derart beeindruckt, dass sie daraus den Schluss zogen, günstige Bedingungen für Investitionen im Elsass zu finden.



Von Jürg-Peter Lienhard

Für weitere Informationen klicken Sie hier:

BaZ-Magazin: «Zeugen einer Wohnkultur»

Marc Grodwohl, Porträt von J.-P. Lienhard

Soïdumm - der Protestsong

Das Ecomusée wird geköpft - Skandalbericht


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