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Artikel vom 28.11.2014

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Cinéma

Gefangen im Netz von Intrigen

Im Agententhriller «A Most Wanted Man» brilliert der unlängst verstorbene Philip Seymour Hoffman als Agent auf der Suche nach islamistischen Terroristen in Hamburg

Von Ottokar Schnepf



Der Bankier (Willem Dafoe) und der Agent (Philip Seymour Hoffman)


2008 erschien der Roman «A Most Wanted Man» von John le Carré, dem britischen Altmeister des intelligenten Polit-Thrillers (Tinker Tailor Soldier Spy), der als Vorlage für den gleichnamigen Film diente. Anton Corbijn erkannte die Brisanz des Stoffes, und nun kommt seine Adaption am 11. Dezember in die Schweizer Kinos.
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Der rätselhafte Flüchtling Issa Karpov halb Russe, halb Tschetschene, taucht von Folter gezeichnet in Hamburg auf. Er ist auf der Suche nach dem illegal erworbenen Vermögen seines verstorbenen russischen Vaters. Als er Kontakt zur islamischen Gemeinde aufnimmt, läuten sowohl beim deutschen als auch beim US-Geheimdienst die Alarmglocken.
Nichts an diesem jungen Mann passt zusammen: Ist er Opfer, Täter, Betrüger oder ein extremistischer Fanatiker? Verwickelt in seine Geschichte werden die idealistische Anwältin Annabel Richter, der undurchsichtige Banker Thomas Brue (Dafoe) und der geniale Strippenzieher Günther Bachmann (Hoffman), Leiter einer halboffiziellen Spionageeinheit, der innerhalb der deutschen Nachrichtendienste seine eigenen Kämpfe führt. Ausserdem behält die CIA-Agentin Martha Sullivan die Entwicklungen im Auge. Während die Uhr tickt und der explosive Höhepunkt immer näher rückt, wird Issa Karpov zum meistgesuchten Mann der Welt.

Paranoide Anti-Terror-Spionage

Regisseur Anton Corbijn hat nach seinem Auftragskillerfilm «The American» ein verwandtes Thema gewählt, doch schlägt er für seine moderne Agentengeschichte einen konventionelleren Erzählton an. Die Vorlage stammt von Altmeister John le Carré, der in seinem Roman einen grimmigen Blick auf die Innenmechanik gegenwärtiger paranoider Antiterror-Spionage wirft. Spielort ist Hamburg, dort, wo Mohammed Atta einst unbemerkt die Anschläge des 11. September plante.

Den Flüchtling hält Bachmann für unschuldig, sieht in ihm aber einen Köder für einen ungleich grösseren Fisch: einen angesehenen muslimischen Charity-Mann, der möglicherweise Geld an islamistische Milizen lenkt. Mit seiner Bedachtsamkeit scheint Hoffmans Bachmann nicht mehr in die heutige Welt zu passen - 13 Jahre nach dem 11. September 2001, in einer Zeit, in der jeder Mensch verdächtig ist und alle Geheimdienste sich untereinander bespitzeln.

Würdevolles Finale

Seinen annähernd actionfreien Agententhriller inszeniert Anton Corbijn zunächst auf etwas sprunghafte, später immer stringentere leise Art. Seinem Hauptdarsteller bietet er damit grossen Raum für feine Nuancen. Teils brummelt er knappe Sätze, oft mit zynischem Unterton gewürzt, teils strahlt er - im Kontakt mit seinen gefährdeten Informanten - etwas Väterliches aus.

Bis aus ihm am Ende der geballte Frust über vergebliche Feinarbeit nach aussen bricht, bewegt sich Hoffmans Ermittlerfigur durch ein Schattenreich aus Hinterhöfen, Hafenspelunken und engen Verhörzimmern, getaucht in düstere Farben. Wenn er schließlich in einer Szene allein in seiner Wohnung am Klavier sitzt und eine Melodie klimpert, dann ähnelt Hoffman darin den desillusionierten einsamen Wölfen des klassischen Film Noir. Szenen wie diese atmen pure Melancholie; dem grossen, leisen Schauspieler bieten sie ein würdevolles Finale.

Von Ottokar Schnepf


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