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Artikel vom 08.08.2009

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Ottokars Cinétips

Gangster und Volksheld

Michael Mann folgt in seinem routinierten Edelthriller «Public Enemies» Johnny Depp mit der Digi-Kamera durchs Chicago der 30er-Jahre - jetzt in den Basler Kinos Eldorado und Küchlin

Von Ottokar Schnepf



«Was ist krimineller, eine Bank auszurauben oder eine Bank zu eröffnen?» Diese Frage von Bertold Brecht beschäftige John Dillinger nicht; er wollte einfach alles, was in den Bank-Safes und -Tresoren steckte - und bekam es mit Hilfe seines Schiesseisens.


Mehr als alle anderen Gangster der Depressionszeit hat John Herbert Dillinger (1903–1934) den Charakter eines «Volkshelden», dessen Taten von der Bevölkerung mehr oder weniger offen gutgeheissen wurden. Die Menschen tauchten ihre Taschentücher ins Blut des Erschossenen wie bei einem Heiligen. Tatsächlich war die Gewalt in dieser Zeit in Amerika zu einer Art Religion geworden.

Dillinger war zugleich ein Symbol für den Zorn der Bevölkerung auf die Banken, die das Land ausbluteten und mit ihrer ruinösen Kreditpolitik Abhängigkeit, Unterdrückung und Entwurzelung hervorriefen. Also genau das, was sich zurzeit around the world abspielt, nur gibt es leider keine Dillingers mehr…

Die kurze Zeitspanne von Dillingers Wirken hat nun Michael Mann zu einem Film verarbeitet, der aber komischerweise weder «Dillinger» noch «Public Enemy» (er war der erste Gangster, der so genannt wurde) heisst, sondern «Public Enemies».

Doch das ist noch das kleinste Übel dieses Streifens. Vor allem die zusammenhangslose Story ohne Tiefgang und der fehlende «Background» des gesellschaftlichen Zustands in den USA machen Mann's Film zum Ballermovie mit Staraufgebot.

Doch auch der sympathische Johnny Depp kann «Public Enemies» nicht retten. Sein Dillinger ist eine Schiessbudenfigur ohne Profil. Und gerade Letzteres soll der grosse Dillinger en gros besessen haben. Das zeigen denn auch gebührend die beiden früheren Dillinger-Filme.

Der erste, der sich als wirklichkeitstreue Biografie verstand, ist «Dillinger» (1945); Regisseur Max Nossek arbeitete mit den Stilen der Reportage und der Dokumentation, um das Leben des Gangsters (Lawrence Tierney) zu rekonstruieren. Der zweite «Dillinger» (1972) zeigt Warren Oates (der die grösste Ähnlichkeit mit dem wirklichen Gangster aufweist) unter der Regie von John Milius als einen amerikanischen Mythos jenseits einer moralischen Wertigkeit und ohne Romantik.

Doch keinem Regisseur ist es bislang gelungen, ein kritisches, gesellschaftsbezogenes Bild des Gangster Dillinger zu entwerfen. Genau dies hätte man nach «Heat» und «Collateral» von Michael Mann erwarten dürfen. Doch dem ist leider nicht so!

Von Ottokar Schnepf


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