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Artikel vom 27.11.2007

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Bücher

Wie man erfolgreich bettelt

Im Huber Verlag Frauenfeld ist ein «Leitfaden für Gesuchsteller» bei Stiftungen herausgekommen

Von Jürg-Peter Lienhard



Grosser Wurf eines engagierten Verlages: Elisa Bortoluzzi bei Huber, Frauenfeld. Umschlag Ihres Leitfadens von unermesslicher Nützlichkeit.


«Stiftungen» lautet der schlichte Titel des Buches der Doppel-Doktorin in Kommunikation Elisa Bortoluzzi Dubach aus Zug. Ihr Sachbuch hatte eine vielbeachtete Vernissage im Forum Würth in Arlesheim und ist ein äusserst nützliches Hilfsmittel für alle, die ein Projekt von sozialer oder kultureller Thematik auf die Beine stellen wollen und nach Geld suchen.

«Eigentum ist Diebstahl» - der Satz ist zwar von der 68er-Generation kolportiert worden, aber geboren worden ist er in der Zeit der französischen Industrierevolution, einer Zeit, in der auch in der Schweiz die Grundlagen für die enormen Vermögen geschaffen worden waren, die heute derart umfangreich geworden sind, dass das Geld buchstäblich auf der Strasse liegt. Kratzen Sie mal ein bisschen am Macadam der Zürcher Bahnhofstrasse, und Sie werden entdecken was sich darunter verbirgt, weil es keinen Platz mehr hat in den Safes der Banken am Paradeplatz…

Was hier als aberwitzige Metapher steht, geht auf den Kunstmaler Carlo Aloë zurück, der sie mal in der Basler Szene bitter geäussert hatte. Aloë hat allerdings recht: Geld ist in der Schweiz reichlich vorhanden, und es wird immer mehr. Ja, man weiss bald nicht mehr wohin mit dem Zaster.

Doch, wer wie Aloë als Kunstschaffender oder auch für ein soziales Werk finanzielle Unterstützung sucht, der kratzt vergeblich am Belag der berüchtigten Edelmeile in der Gnomenstadt und sucht erfolglos auf Schweizer Strassen, was Gustav Gans so mühelos in den Schoss fällt. Überfluss hin oder her!

Das viele Geld, das es in der Schweiz zu entsorgen gilt, ist tatsächlich im Übermass vorhanden, aber stets gebunden in einer Stiftung, die einen gesetzlich unumstösslich fest umrissenen Zweck verfolgt: Zur Beförderung des Guten und Gemeinnützigen, für die Kultur, für gefallene Mädchen oder für Künstler am Hungertuch.

Offensichtlich hat Aloë vielleicht nicht gerade bei der Stiftung für gefallene Mädchen angeklopft, aber wohl da oder dort an der falschen Adresse, was ihn zu der bitteren Metapher veranlasst hat. In der Analyse richtig, in der Folgerung falsch!

Vielleicht gibt es eine gute Seele, die Aloë auf das Buch von Frau Bortoluzzi aufmerksam macht; er wüsste künftig, wie vorgehen, um Geld für seine Werks-Projekte flüssig zu machen (immerhin war an der Vernissage des Buches sein Galerist, Klaus Littmann, dabei).

Doch Vorsicht: das Buch nennt keine Adressen, enthält keinen Schlüssel zum Tresor Dagobert D‘s oder Marcel O‘s. Aber es ist gleichwohl ein «Sesam öffne Dich»! Nur: dafür braucht es viel Arbeit. Denn, nur wenn die Arbeit richtig geleistet ist, kommt der Geldsegen. Das steht in dem Buch, und auch, wie man die Arbeit richtig machen soll!

Arbeit, Arbeit, Arbeit, ist auch das Motto der Verfasserin, die eine riesige Arbeit auf sich genommen hat, als sie sich dem Thema «Stiftungen» zu widmen begann. Nur ein Beispiel: Im «Ländle», im Fürstentum Liechtenstein mit seinen knapp 35‘000 Einwohnern, gibt es 70‘000 Stiftungen - also zwei Stiftungen pro Nase! Da ist das Bild der vergoldeten Bahnhofstrasse auch im eidgenössisch zugewandten Steuerparadies nicht ganz falsch.

Elisa Bortoluzzi hatte gerade aus diesem Grund bei ihrer Recherche über die Stiftungslandschaft Schweiz auch das «Ländle» einbezogen und dort angefangen. Sie ging wahrscheinlich sämtlichen Adressen nach, kategorisierte die Stiftungszwecke, die Statuten und die Organe. Aber es war beileibe nicht ihre Absicht, ein Telefonbuch der Stiftungen zu erstellen. Es war ihr Interesse, herauszufinden, wie die Stiftungen «ticken», um schliesslich in einem Leitfaden für Gesuchsteller darzulegen, wie man vorgehen muss, um ein Gesuch erfolgreich abwickeln zu können.

Das verlangt vom Gesuchsteller Arbeit, eben die Arbeit, die ihm das Buch nicht abnimmt - aber ihm den Weg aufzeigt, wie er sein Projekt auf das richtige Gleis stellt. Das Buch gibt im Anhang (!) einige nützliche Adressen an, die aber eher als Pfadspuren gedacht sind oder auf den ersten Blick als lächerlich selbstverständlich wie die Internet-Suchmaschinen Google und Yahoo erscheinen mögen. Doch im Zusammenhang mit der Lektüre erhellen sich diese Tips und werden darum dann anders wahrgenommen, weil man sie schliesslich als effizientes Recherchewerkzeug zu gebrauchen gelernt hat.

Blättert man das Inhaltsverzeichnis oder Stellen des Buches durch, scheinen viele Elemente gewissermassen banale Selbstverständlichkeiten zu sein. Zum Beispiel die Frage: «Was will ich?» Die ist nämlich viel heimtückischer als es auf den ersten Blick scheinen mag, denn die Frage ist, ob das auch so verstanden werden kann bei der Stelle, wo ich Geld locker machen will für meine phantastische Idee oder für unser eminent wichtiges Projekt?

Jedes Kapitel gibt daher Checklisten an, fragt, was man soeben gelernt hat und fasst nochmals zusammen. So kommt man Schritt um Schritt dahin, ein hieb- und stichfestes Gesuch zusammenzustellen, es vom Begleitschreiben bis zu den Zielen und dem Budget so zu komponieren, dass es ein vollkommen aufschlussreiches Dossier darstellt.

Doch das Formulieren eines Gesuchs ist längst nicht die Hauptarbeit, ist gewissermassen lediglich das Tüpfelchen auf dem i. Die Hauptarbeit ist viel aufwendiger, braucht enorm Zeit und vor allem einen grossen Willen, sich in die «Stiftungslandschaft Schweiz» einzuarbeiten, sich mit der Philosophie der angepeilten Stiftung auseinanderzusetzen.

An der Podiumsdiskussion an der Vernissage im Forum Würth in Arlesheim, sagte denn auch der Leiter des Verlags Huber, Hansrudolf Frey, dass es die Bereitschaft erfordere, sich mit der Fabrikation von Schrauben auseinanderzusetzen, wenn man die Stiftung eines Schraubenherstellers angehen will. Mit anderen Worten: Gesuche im Rundumschlag an Stiftungen verschicken, deren Adressen man im Dutzend von irgendwoher bezogen hat, sind kaum von Erfolg gekrönt. Auch in Verwaltungsräten von Stiftungen sitzen Menschen, die als solche wahrgenommen werden wollen…

Wer ein Kultur- oder soziales Projekt auf die Beine stellen will und einen Geldgeber oder mehrere dafür sucht, tut gut daran, sich das Buch von Elisa Bortoluzzi anzuschaffen. Es öffnet die Augen für den Weg zu den goldenen Quellen, verlangt aber viel Arbeit und viel Einfühlungsvermögen der Gesuchsteller. Es streift übrigens nebst den Stiftungslandschaften Schweiz und Liechtenstein auch jene von Deutschland und Österreich.

Wer sich dann - aus welchem Grund auch immer - mit der Stiftungslandschaft Schweiz auseinanderzusetzen beginnt, wird mit Erstaunen zur Kenntnis nehmen, dass viele Stiftungen Mühe haben, ihren Stiftungszweck zu erfüllen, weil sie nicht mit Gesuchen überhäuft werden. Zum Beispiel die Stiftung für gefallene Mädchen…

Rechtlich ist der Stiftungszweck gewissermassen unumstösslich. Allerdings erlaubt die kürzlich erfolgte Revision des entsprechenden Rechts, eben veraltete Stiftungszwecke etwas larger zu definieren, so dass vielleicht statt gefallene Mädchen, alleinerziehende Frauen zu einer Unterstützung gelangen können. Auch wenn dieses Beispiel ein ziemlich krasses scheinen mag - viele Stiftungen verfügen über viel Geld, aber kaum über Abnehmer…

Das ist bitter für die Stifter, die oftmals Geld nur deswegen gestiftet haben, weil sie vielleicht insgeheim dem eingangs zititerten Pierre Joseph Proudhon zustimmen mochten, und weil sie ihr Geld schliesslich nicht ins Grab mitnehmen konnten. Somit dürfte man manchem Stifter postum das Gewissen entlasten, wenn man gezielt ein Gesuch stellt - um Eigentum der Gesellschaft wieder zurückzugeben…


Elisa Bortoluzzi Dubach: «Stiftungen. Der Leitfaden für Gesuchsteller». Verlag Huber, Frauenfeld. 303 Seiten, 58 Franken

Von Jürg-Peter Lienhard


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