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Artikel vom 05.05.2008

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Elsass - Wirtschaft

Alle Fotos: Pierre Dolivet, Mulhouse © 2008

208 Entlassungen bei DMC

Das Traditionshaus und «letzter Mohikaner» der gloriosen Mülhauser Textilindustrie, muss 208 Mitarbeiter von noch über 1000 in Mulhouse und Paris kündigen

Von Redaktion



«Manchester des Festlandes» und «Stadt der 120 Kamine» nannte man einstmals Mülhausen: Jedes Kamin stand für eine Textil-Fabrik. Bald ist die grösste Textil-Fabrik, die DMC, gegründet und 1820 in atemraubendem Tempo mit den roten Falzziegeln der Tessiner Brüder Gilardoni gebaut, nur noch Industrie-Brache…


DMC Dollfuss, Mieg & Cie - so heisst die grösste, noch überlebende Textil-Fabrik aus dem «Manchester des Festlandes» Mülhausen, das einstmals 120 Textil-Unternehmen beherbergte. Hier wurden Produkte hergestellt, die von europäischen Königshäusern bestellt worden waren und in der ganzen Welt wegen ihrer Qualität und Schönheit geschätzt wurden. Jetzt entlässt DMC erneut 208 Mitarbeiter, wie die Gewerkschaft CFTC am Mittwoch, 30. April 2008, mitteilte. Der Schweizer Ableger der DMC (Schweiz) ist in der Schweiz schon lange in Liquidation.



Die Textil-Krise begann in den siebziger Jahren des vergangenen Jahrhunderts, und seither reissen Katastrophenmeldungen wie Massenentlassungen und Betriebsschliessungen nicht mehr ab. Bild: Streik bei DMC 1984, fotografiert von Pierre Dolivet © 2008


Die Textilgruppe DMC beschäftigte bis anhin noch über 1000 Mitarbeiter, wovon 208 hauptsächlich in Mulhouse sowie in Paris entlassen werden müssen. 141 Arbeitsplätze gehen bei «DMC Tissus» verloren, welche bis anhin noch 354 Angestellte beschäftigte. Weitere 67 Arbeitsplätze betreffen «Arts du Fil» in Mülhausen, Illzach (Mulhouse) und Paris. Beide Abteilungen stellten hochwertigste Textilien her, die des Preises wegen offenbar keine Käuferschaft mehr finden.

Bereits ist abzusehen, dass auch die Filiale in Logelbach (Oberelsass) schliessen wird, wo Kündigungen auf vorzeitige Pensionierungen folgen werden.

Verschiedene Quellen sprechen von denselben Ursachen: Die Billiglohn-Konkurrenz, zumal aus Asien. Die Asien-Importe haben innerhalb von nur zwei Jahren um mehr als 65 Prozent zugenommen. Hinzukommt noch der anhaltende Höhenflug des €uros, was den Export benachteiligt, sowie das stete Nachlassen der Nachfrage von Velours (Samt).

Nicht nur Gewerkschaftsvertreter, sondern auch Wirtschaftsvertreter rechnen denn damit, dass DMC eher über kurz, denn lang der restliche Schnauf ausgehen wird und das seit 1820 bestehende riesige Areal in Mülhausen komplett dichtmachen muss.




Auf dem Riesen-Areal von DMC Mulhouse überraschen immer wieder höchst charmante Baulichkeiten, die von den Industriegründern voller Stolz sehr augenfällig architektonisch gestaltet worden waren.




Wenngleich industrielle Architektur, so doch ästhetisch gestaltete, an der auch moderner Technik standhält.




Auch hier wieder: Grossartige Industrie-Architektur, deren Grösse eben auch die einstmalige Bedeutung verrät - noch lange, bevor Basel mit seiner chemischen Industrie zu wachsen begann. Übrigens nur dank dem chemischen Farbstoffbedarf der Mülhauser Textil-Industrie!

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jpl.- Die gloriose Mülhauser Textil-Industrie ist Opfer der Globalisierung und des Kapitalismus. Der, sagte einstmals Mao Tsetung, aus Geldgier den eigenen Strick verkauft, an dem der Kapitalist schliesslich aufgehängt wird: Um den Profit zu steigern wurde ab den 50er-Jahren in den Textilmetropolen Europas - die Schweiz ist da sowieso inbegriffen - viele Textilbereiche in Niedrigstlohnländer wie Indien und Pakistan «ausgelagert». Kinderarbeit bis heute (!) inbegriffen, ganz zu schweigen von den Arbeitsbedingungen für Erwachsene!

Damit einher ging auch das Verschwinden des «savoir faire», des «Know-how», sowie ganzer Berufszeweige, die stets grösste Anstrengungen für neue gestalterische Ideen und technische Innovationen aufbrachten.

Gehen Sie mal zu «Ikea» in Pratteln oder Strassburg, wo der Meterstoff ab 1 Schweizer Franken (0,6 €uro) zu haben ist und schauen Sie sich die Muster genau an: Es sind meist einfarbig, höchstens zweifarbig bedruckte Stoffe - allerdings mit augenfällig «modernen» Dessins -; die Webqualität ist fürs Wegwerfen gemacht.

Vorbei die hohe textile Qualität und vorbei die ausgefeilte Drucktechnik, womit teils traditionelle Muster, teils künstlerisch wertvolle Ornamente und Dessins auf hochwertige Stoffe gedruckt worden waren. Die sind nun reif fürs Museum… Während die langjährigen Mitarbeiter reif für die Frühpension sind…

Die Kehrseite dieser rein kapitalistischen «globalen Welt», die den Profit privatisiert, die Kosten jedoch der Gesellschaft überbürdet - bis auch die Mittel des Staates aufgebraucht sind. Dann allerdings…


Von Redaktion


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