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Artikel vom 06.06.2007

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Reusdals Räuspern

Das Blaue vom Himmel

Was Geschenke und Emotion in der Werbung bedeuten

Von Mitch Reusdal



Die Werbung versprich das Blaue vom Himmel herunter - und es funktioniert: Noch werbefreier Himmel in Le Borgeot (Burgund) über den dortigen Gütern von Reinhardt Stumm, fotografiert von J.-P. Lienhard, Basel, am 30. April 2007 ©


Was die Werbung so alles auftischt, geht ins Unglaubliche. Wer glaubt an die Versprechen, die sie in die Welt setzt? Die Menschen, an die sie sich wendet? Offenbar bleibt der Erfolg nicht aus, sonst hätte sich die Werbung längst selbst aufgeben müssen.

Die Werbung treibt es bunt. Sie kann nicht anders. Es gehört zu ihrem Geschäft. Das Blaue des Himmels ist nie weit weg. Je mehr sie auftrumpft, desto mehr fällt sie auf. Deshalb muss sie auftrumpfen.

Vielleicht erwarten die Werbeleute ja gar nicht, dass die Menschen auf sie hereinfallen. Sie glauben an den «mündigen Menschen», auch wenn sie die letzten sein sollten, die sich noch an diese Option halten. Ironie könnte im Spiel sein, ein spielerischer oder verspielter Zug, ein Versteckspiel, ein Augenzwinkern: Wir verstehen uns. Niemand glaubt wirklich daran, was wir sagen, wir wollen nur ein konsumfreundliches Umfeld schaffen. Aber vielleicht hiesse das, den Auftrag der Werbung gründlich misszuverstehen.

Das Gefühl, dass etwas fehlt

Vielleicht geht es doch darum, das Publikum, die Konsumenten, die Menschen, von etwas zu überzeugen, das sie gar nicht wissen wollten und an das sie nie gedacht hätten, wenn sie nicht mit der Nase darauf gestossen worden wären. Seit es zum Beispiel ein Mittel gegen Venenleiden gibt, das allabendlich im Fernsehen beschworen wird, sind Venenleiden sprunghaft angestiegen. Man muss nur von Staubsaugern mit einer neuen Belüftungstechnik sprechen, und schon haben die Menschen das Gefühl, dass ihnen etwas fehlt.

Wer sind «die» Menschen? Es sind jene «Menschen», die glauben, was ihnen die Werbung aufsagt. Sonst brauchte es gar keine Werbung.

Nachdem die Frage, von wem hier die Rede ist, geklärt werden konnte, ist der Augenblick gekommen, sich den praktischen Beispielen zuzuwenden.

«1 Glas zahlen + 1 Glas geschenkt», macht ein Brillenunternehmen auf sich aufmerksam. Ein Glas geschenkt, das wäre ein Wunder. Wer schenkt heute etwas, wo alle «rechnen», das heisst sparen müssen? Soviel Menschen-, oder richtiger Konsumentenfreundlichkeit ist eine unbewiesene Behauptung. Aber sie macht sich gut. Richtiger wäre es zu sagen: Wir verdienen an einem Glas so viel, dass wir Ihnen das zweite schenken können.

Sogar unkompliziert, wenn es nicht schadet

Eine Bank nimmt zurzeit auf Plakaten im Weltformat den Mund im gleichen Format voll mit der Aussage eines jungen, sportlichen, dynamischen Menschen: «Mir passt die unkomplizierte Art dieser Bank.» Rentner, Invalide oder Arbeitslose wären das falsche Publikum. Das ist klar. Überraschender ist die Bemerkung, dass die Bank «unkompliziert» sein soll oder sein will. So, als wollte sie sagen: Sie können alles von uns haben. Wir machen den Weg frei. Leistung aus Leidenschaft.

Es ist Aufgabe von Geldinstituten, mit Geld Geschäfte zu machen. Vor allem gute Geschäfte. Ein paar Milliarden sollten es schon sein. Etwas anderes zu sagen wäre Sand in die Augen gestreut. Wenn es dabei unkompliziert geht, um so besser for you and us. Sonst rechnen wir jeden Rappen nach. Nichts kann unsere Leidenschaft bremsen.

Immer die gleichen Sprüche, die nichts aussagen. Beziehungsweise die gar nichts aussagen sollen. Wo kämen wir hin, wenn jedes Wort auf die Goldwaage gelegt würde? Wir sind ganz unkompliziert und nett, wenn Sie uns keine Scherereien bereiten. Und nun zur Sache: Sie kennen unsere Konditionen? Also was können wir für Sie tun?

Viele Emotionen, kein Verstand

Der Satz «Testen Sie Ihre Emotionen» ist auch so eine Schlangenfängerei. Er lässt sich in der Werbung passend für Sonnenschirme oder -crème, den neuen «C4» oder «Premium-Fitness»-Schuhe einsetzen. Egal was, er macht sich immer und überall gut. Nur was er meint, ist nicht ausgemacht. Nicht auf Anhieb jedenfalls. Aber man kann davon ausgehen, dass er folgende Botschaft vermitteln soll: Kaufen Sie unsere Produkte und nicht diejenigen der Konkurrenz. Bringen Sie Ihr Geld uns und nicht den anderen. Emotionen ja, jede Menge – aber auf keinen Fall den Verstand.

Werbung ist ein schwieriges Geschäft. Es kommt darauf an, die Menschen zu verleiten, etwas zu tun, wozu sie gar nicht die Absicht haben.

Das geschieht auf jede erdenkliche und unerdenkliche Art. Das Versprechen ist immer noch die am meisten verbreitete Methode. Auch wenn niemand daran denkt, sich daran zu halten.

«Versprechen» (Fehlsprechen) ist der richtige Ausdruck!

Von Mitch Reusdal


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