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Artikel vom 24.01.2006

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Mitch Reusdal

Mit Reaktionen

Knurren im Wald

Die Preise steigen: Nichts Neues unter der Sonne; das Übliche…

Von Mitch Reusdal



Steigt der Ölpreis, steigt der Gaspreis, steigt der Preis für Pellets… Bild: ETH Zürich


Die einen bezahlen, die anderen kassieren. Noch besser wäre es, wenn die einen ein wenig mehr bezahlen und die anderen ein bisschen mehr bezahlen würden. Das nennt man Wirtschaftswachstum.

Gasprom, das milliardenschwere russische Erdgasunternehmen, verkauft Gas ins Ausland, während zu Hause im kalten Russland die Menschen frieren und erfrieren. Gasprom verkauft Erdgas auch an die Ukraine, stellt aber den Hahn ab, wenn die Preise zu tief sind – unter dem Beifall der WTO, die meint, dass höhere Preise gut für die Konkurrenz sind. Wieso das so sein sollte, sagte Pascal Lamy, der Direktor der WTO, nicht.

Die Preise werden auf die Konsumenten abgewälzt. Nichts ist einfacher als das. Alles wird teurer. Das ist ein Geschenk für die Kassierer.

Immerhin ist auf diese Weise die sogenannte Auslandabhängigkeit, die Abhängigkeit von lebenswichtigen Gütern, die nur im Ausland erhältlich sind, deutlich geworden. Aber für Erdöl oder Uran gilt das nicht.

Der Hahn wird zugedreht, die Lieferung eingestellt und auf diese Weise gewissermassen Nachdruck erzeugt. Russland hat es mit Gasprom demonstriert. Der Schliesshahn ist zum Symbol der internationalen Wirtschaft geworden.

Steigt der Ölpreis, zieht der Gaspreis nach

Die globalisierte Welt ist nicht auf Kooperation angelegt, das glaube ich jeden Tag weniger, das ist ein Witz, ein «running gag», der immer wieder die Runde macht, wie die bunten Pferde auf den Karussells, sondern sie ist eine Form gegenseitiger Erpressung. Natürlich nicht in den öffentlichen Erklärungen. Nur in der Praxis. Das reicht.

Steigt der Ölpreis, zieht der Gaspreis nach. Das ist ein längst eingespielter Automatismus. Steigt der Gaspreis, geht der Ölpreis in die Höhe. Steigen die Mieten, zum Beispiel in der Müllerstrasse, werden die übrigen Mieten angepasst, zum Beispiel in der Meierstrasse. Damit der «ortsübliche» Tarif eingehalten wird.

Die Krankenkassenprämien steigen sowieso, weil es zu viele Ärzte gibt. Und weil die Menschen irgendwo wohnen und manchmal einen Arzt aufsuchen müssen, knurren sie und bezahlen. Was sollen sie sonst tun?

Nur das Fliegen und die Milch werden laufend billiger. Dafür müssen das Flugpersonal und die Milchbauern herhalten. Auch das Telefonieren wird immer billiger. Ich hätte es beinahe vergessen.

Die Auslandabhängigkeit und der Automatismus der Preisanpassung sind also zwei Seiten der gleichen Medaille. Aber sie zeigen nicht das vollständige Bild. Es gibt auch eine Inlandabhängigkeit, die in gleicher Weise, also bestens funktioniert.

Juristisch alles in Ordnung

«Heizen mit Holz boomt», schrieb die Zeitung am 18. Januar 2006. Ursache sind die hohen Heizölpreise, die Holz als Energie interessant machen. Angeblich.

Das ist noch nicht alles. Am gleichen 18. Januar schrieb das Magazin «Saldo» mit einem etwas anderen Blick auf das Problem als die Zeitung: «Künstliche Verknappung lässt Pellets-Preise steigen». (Pellets sind kleine Holzbriketts, ein neuartiges Heizmittel.) Steigen die Ölpreise wegen der Erdgaspreise und diese wegen jenen, steigen die Pellets-Hersteller sofort auf das Podium und singen im Chor mit. Warum nicht? Ist doch klar. Ich bitte Sie!

Künstliche Verknappung ist ein approbiertes Mittel, um die Preise hoch zu halten, also die eigene Ertragslage zu verbessern. So ist es gang und gäbe. Einzuwenden gibt es juristisch nichts. Courant normal. Das Übliche.

Auch das ist noch nicht das vollständige Bild. Denn während der Pellets-Mangel seinen heilsamen Segen für die Preise ausbreitet, «verfault tonnenweise Holz im Schweizer Wald», wie das Magazin «Saldo» nicht vergass zu bemerken.

Ich bin nur nicht sicher, ob den Pellets-Produzenten überhaupt etwas am Wald gelegen ist. Sie haben wohl ganz andere Interessen. Die Kasse! Die Kasse!




Wenn der Ölverbrauch sinkt, weil der Pelletsverbrauch steigt, steigen die Förderungszuschüsse für erhöhten Pelletsabsatz, wodurch die Einnahmen aus der Mineral- und Mehrwertsteuer sinken. Quelle: «Österreichisches Insitut für wirtschaftliche Ölheizung» (iwo).



Reaktionen

Lieber Herr Reusdal

Ihr Sarkasmus gefällt mir. Das ist ja seit Jahrtausenden die einzige Möglichlkeit, wie sich kleine Leute wie wir - Sie verzeihen mir, dass ich Sie da einfach dazu zähle - gegen die Machtspiele der Kassenwärter "wehren" können. Ich selbst heize auch mit Holz, bin aber in der glücklichen Lage, in einem abgelegenen Nest zu leben, wo weniger die globalen Marktmechanismen als vielmehr die ultralokalen Empfindungen spielen. Der Ster gutes Buchenholz, den man wie vor Urzeiten im Wald ersteigert, wird wohl auch in Zukunft zwischen 75 und 90 Fr. kosten, sonst gäbe das im Dorf eine Revolution, weil die Preise schon immer so waren und man keine neuen Mödeli will. Zudem ist jeder zweite Waldbesitzer, der Förster lebt im Dorf, der Gemeindepräsi ist Waldchef und will wohl wiedergewählt werden. So viel zu den positiven Seiten lokalen Filzes...

Herzlich, Urs Weber, Forstökologe

Von Mitch Reusdal


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