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Artikel vom 22.09.2010

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Ottokars Cinétips

In Basel im Kino

Peinlich, lächerlich, ärgerlich

Geschichtsklitterung anstatt Vergangenheitsbewältigung treibt Regisseur Oskar Roehler mit seinem «Jud Süss»-Film

Von Ottokar Schnepf



Moritz Bleibtreu (links) spielt den teuflischen, menschenverachtenden Verbrecher Goebbels als clownesken Kumpel vom Dienst. Das ist mehr als nur peinlich!


Das Melodram um den Schauspieler Ferdinand Marian und die Folgen seiner Bereitschaft, die Hauptrolle in dem antisemitischen Propagandafilm «Jud Süss» zu übernehmen, ist eine Kolportage bis zum Rande der Lächerlichkeit.

Der Film «Jud Süss» erwies sich 1940 als ein geradezu teuflisch ideales Mittel, die antisemitische Stimmung der Bevölkerung anzuheizen und das eventuelle Mitgefühl und schlechte Gewissen zu betäuben. «Jud Süss» basierte auf dem gleichnamigen historisch-psychologischen Roman von Lion Feuchtwanger.

Doch Regisseur Veit Harlan hielt sich weder an die historischen Begebenheiten noch an Feuchtwangers Roman. Den Halbjuden Josef Süss Oppenheim verzerrt der Film vom eitlen Geschäftsmann in ein wahres Ungeheuer, einen Fleisch gewordenen jüdischen Dämon. Veit Harlan versuchte sich nach dem Krieg mit Hilfe einer Biographie zu rechtfertigen. Was ihm aber niemand abnehmen mochte.

Obwohl «Jud Süss» nach dem Krieg verboten wurde, haben ihn zuvor doch 20 Millionen Menschen in Europa gesehen. «Dieser Film sollte den Faschisten die historische Rechtfertigung für ihre unmenschlichen Grausamkeiten gegenüber den Juden geben, die von ihnen zu Millionen in den Konzentrationslagern erschlagen, erschossen, vergiftet, vergast, erhängt und ausgehungert worden sind» ist in Horst Knietzsch's Buch Film gestern und heute zu lesen.

Nun hat sich Regisseur Oskar Roehler dieses schrecklichen Films angenommen und anhand von Friedrich Knillis Biographie über den damaligen Jud-Süss-Darsteller Ferdinand Marian einen Film gedreht: «Jud Süss - Film ohne Gewissen» erzählt, wie der Hetzfilm der Nazis entstand, wie Ferdinand Marian von Goebbels ausgetrickst wurde, um die von ihm abgelehnte Rolle zu übernehmen, mit der er sich später identifizieren musste, was ihm zum Verhängnis geriet.

Auch um den teuflischen Goebbels geht es in Roehlers Film. Einen Goebbels, der von Moritz Bleibtreu gespielt genauso lächerlich wirkt wie vor Jahren Bruno Ganzens Hitler. Doch von der geschickten Machart seines Films ist Regisseur Roehler so fasziniert wie damals Veit Harlan von seinem antisemitischen Machwerk, dass er sich der gleichen Mittel bedient: Geschichtsklitterung, publikumswirksames Melodrama, überhitzte Kolportage bis zum Rande der Lächerlichkeit.

Roehlers Rechnung ging nicht auf. Bei der Uraufführung seines Films an der Berlinale im letzten Februar buhte das Publikum und verliessen Kritiker den Saal. Wen wundert's, Roehler betonte Fiktion zu zeigen, verwendete aber Originalaufnahmen. Das funktioniert nicht!

Von Ottokar Schnepf


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