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Artikel vom 22.08.2009

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Ottokars Cinétips

Renaissance des Spektakelkinos

Das 3D-Kino kehrt zurück: Hollywood will damit die Zuschauer zurückgewinnen, die es am Heimkino zu verlieren droht - doch dies ist Wunschdenken, meint unser Filmjournalist

Von Redaktion



(Foto: Manuel Martin, wikimedia commons 2009)


Der Traum, die Zweidimensionalität der Kinoleinwand zu durchbrechen, ist fast so alt wie das Kino selbst. Unser Filmjournalist glaubt jedoch nicht an die heilbringende Kraft der 3D-Methode, die jetzt wie eine neue Sensation angepriesen wird. Zum Beispiel im Pahté-Kino «Küchlin» in Basel mit «My Bloody Valentine 3D».

-- Von Ottokar Schnepf --

Schon die Gebrüder Lumière versetzten ihr Publikum Ende des vorletzten Jahrhunderts in helle Aufregung, als sie einen Zug beinahe frontal ins Bild hinein fahren liessen. Bei den Vorführungen von L'Arrivée d'un Train (1896) sprangen die Besucher vor Schreck von ihren Sitzen… Dazu bedurfte es allerdings noch keiner 3D-Technik; die kinematographisch ungeschulten Zuschauer waren einfach überrumpelt.

Ein halbes Jahrhundert nach dem einfahrenden Zug der Lumières aber hatte das Kino auf einmal erheblich eingebüsst. Eine Kiste namens Television warb den grossen Kinopalästen das Publikum ab. Hollywood musste sich etwas einfallen lassen, um dem Publikumsschwund zu begegnen.

So entpuppte sich die 3D-Technik Anfang der fünfziger Jahre als Rettung. Doch nur für kurze Zeit. Denn es waren nicht so sehr die Geschichten dieser 3D-Filme, sondern die Schockeffekte darin, die für Furore sorgten. Der Horror schien jetzt direkt von der Leinwand hinab aufs Publikum zu wirken. Die Kinos wollten dem Zuschauer suggerieren, dass er zum Beispiel selbst durchs Gruselkabinett von André de Toths House of Wax spaziere; die mörderischen Klauen in Hitchcocks Dial M for Murder spüre, und der unheimliche Kiemenmensch aus Jack Arnolds Creature from the Black Lagoon aus seinem wässrigen Versteck direkt in die Sitzreihen der Kinos krieche.

Das blieb jedoch lange Behauptung und Vorspiegelung; nur kurz florierte das 3D-Kino.

Auch eine zweite Welle Anfang der achtziger Jahre hat an der eher trashigen Reputation nichts geändert. Verwaschene Farben, plumpe Effekte und rot-grüne Pappbrillen sorgten eher für Kopfschmerzen als für Begeisterung. So wurden die meisten der in Hollywood produzierten 3D-Filme für den Export ins Ausland in «flachen» Versionen geliefert.



Der unheimliche Kiemenmensch aus Jack Arnolds Creature from the Black Lagoon.


Doch das im Kuriositätenkabinett der Filmgeschichte verschwunden geglaubte 3D-Kino feiert jetzt ein überraschendes Comeback. Die dazugehörige Technik wurde in den letzten Jahren deutlich verbessert: Die Bilder sind verblüffend scharf und erreichen eine nahezu lebensechte Qualität; die albernen Pappbrillen (die man aufsetzen muss, um den räumlichen Effekt von 3D-Projektionen wahrzunehmen) sind zeitgemässeren Modellen gewichen, die an Designersonnenbrillen erinnern.

Noch immer aber muss man sie trotz Ticketaufpreis von vier Franken nach der Vorstellung wieder abgeben. Mit der Aufrüstung auf 3D reagiert die internationale Kinobranche auf die zunehmende Konkurrenz aus dem Wohnzimmerbereich - auf hochauflösende Bluray-Discs, auf Dolby-Surround-Systeme und auf die Flachbildschirme. Deshalb soll jetzt das neue 3D-Kino den Zuschauern überwältigende Erlebnisse bescheren, die sie zu Hause nicht haben können.



Szenenbild aus dem Animationsfilm «Coraline».


Ein eher jüngeres Publikum wird sicher Gefallen finden am 3D-Kino, sind es doch vor allem Animationsfilme wie Coraline (siehe Bild), die zur ersten 3D-Welle zählen. Aber auch der erste 3D-Slasher-Film ist bereits auf dem Markt und erlebte eben seine Basler-Premiere im Pathé-Küchlin - eines der wenigen Kinos, das für 3D-Vorführungen eingerichtet ist: In My Bloody Valentine 3D darf man sich vor dem Mörder mit der Spitzhacke ducken oder - wie ich es an der Pressevorführung vorzog - die Brille vom Kopf nehmen, um dem 3D-Effekt und den Blutspritzern zu entkommen…



Ob sich die Leute mithilfe der 3D-Technik tatsächlich so gruseln lassen, wie es das Werbeplakat von «My Bloody Valentine 3D» weismachen will… Na, man darf sich aber fragen, warum Leute Geld ausgeben, damit es ihnen graust…


Ich sehe jedenfalls dem neuen «Event-Kino» eher mit Skepsis entgegen und zweifle vor allem daran, dass ernste Stoffe in 3D funktionieren. Filme, in denen auf Inhalt und nicht blosse Effekte gesetzt wird, haben zum guten Glück noch ihr Publikum. Und dass Filme im Fernsehen nicht das Kinoerlebnis auf der Grossleinwand ersetzen, haben ein Grossteil der Filmliebhaber längst gemerkt. Dass neue Techniken wie Computer und Spezialeffekte noch lange nicht für einen guten Film reichen, ist ebenfalls eine Binsenwahrheit.

Nicht 3D kann die Zuschauer in die Kinos locken, sondern bessere Filme!


--Von Ottokar Schnepf --

Von Redaktion


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