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Artikel vom 26.06.2008

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Elsass - Kultur

Mit Fotostrecke

Thann feiert Tannenverbrennen

Am Montag, 30. Juni 2008, wird im schmucken Vogesenstädtchen Thann das traditionsreiche Tannenverbrennen gefeiert

Von Redaktion



Stehen jeweils schon am Morgen des 30. Juni bereit: Die umgekehrten Tannen-Pyramiden für das Fest der drei Tannen in Thann. Sie werden jeweils auf dem früheren Friedhof vor der Stiftskirche aufgestellt - heute ist es ein Parkplatz… Foto zVg OdT, Thann


Die minnesängerische Dichtung zur Sagengestalt Tannhäuser, die in die gleichnamige Oper Wagners eingeflossen ist, hat mit der Legende des Vogesenstädtchens Thann nur den mysteriösen Pilgerstab gemeinsam. Thann feiert auch im Jahr 2008, wie stets am 30. Juni, mit einem beeindruckenden «Drei-Tannen-Verbrennen»-Fest die Nacht, an dem vor bald 900 Jahren angeblich drei Flammen über dem Ort am Himmel erschienen sind - französisch heute «les trois sapins» genannt.



Das Feinste der drei Regio-Münster Strassburg, Freiburg und Thann bekam seinen feinen Turm vom Basler Remigius Faesch. Auf dem Brunnen links Bischof Theobaldus, nach dem das Münster genannt wird. Foto J.-P. Lienhard, Basel © 2008

Die Legende und der Festbrauch sind uralt, wohl noch älter, als die erstmalige schriftliche Erwähnung um 1458: Pilger und Händler reisten zu dem Fest nach Thann, das die frommen Bewohner in Erinnerung an die drei Lichter abhielten, die am 30. Juni 1161 am Himmel erstrahlten. Allerdings dauerte das Fest früher vier Tage, vom 30. Juni bis zum 3. Juli.

Mit der «Drei-Tannen-Verbrennung» gedenkt Thann seiner Gründung, die gemäss der christlichen Sage im Jahr 1161 im Tannenwald des Thur-Tales ihren Ursprung nahm. Damals machte der Diener von Theobald, Bischof von Gubbio (Umbrien, Italien), an der Stelle des heutigen Thann im Wald Rast, und als er wieder aufbrechen wollte, gelang es ihm nicht, den Wanderstab aus dem Boden zu ziehen, der die Reliquie seines verstorbenen Herrn verbarg. Gleichzeitig erstrahlten drei Lichter über drei Tannen. Der Graf von Pfirt, Grundherr von Thann, der im Schloss Engelburg residierte, beschloss daraufhin, eine Kapelle errichten zu lassen. Im Laufe der Jahrhunderte weiteten sich die Wallfahrten zu Ehren des hl. Theobaldus aus, und die Kapelle wurde zur Stiftskirche, zum Theobaldus-Münster vergrössert.



Falls Sie zum Tannenverbrennen-Fest nach Thann reisen: Lassen Sie sich nicht zu sehr von dieser Foto täuschen, weil es kein Publikum drauf hat! Die Hitze ist derart, dass die üblicherweise riesige Zuschauermenge gezwungenermassen grossen Abstand nehmen muss… Foto zVg OdT, Thann


Der fein ziselierte Turm des Münsters stammt übrigens vom selben Architekten, der auch am Basler Münster tätig war: Remigius Faesch. Die spätgotischen Münstertürme von Strassburg, Thann und Freiburg bilden eine architektonische und kunstgeschichtliche Trinität: Eine bekannte Redewendung sagt, dass die Türme sich nur in der Grösse (Strassburg), im Reichtum (Freiburg) und in der Feinheit der Steinmetzkunst unterscheiden, wobei Thann eben der feinste sei. Dies sieht man besonders nachts, wenn der Thanner Münsterturm von innen beleuchtet ist.

Vom Schloss Engelburg der Grafen von Pfirt, die damals an dieser Stelle die auch heute noch bedeutende Verkehrsachse vom Elsass nach Frankreich via den Col de Bussang kontrollierten und mit den Zolleinnahmen gut verdienten, ist heute nicht viel mehr als eine Ruine übrig. Die Burg wurde von den französischen Truppen unter Louis 14. gesprengt, wobei ein Teil des Turmes so malerisch umfiel und vom Tal gut sichtbar ist, dass er noch heute «Hexenaug‘» genannt wird.



Das «Hexenaug'», Überrest des von Louis Toutedesuite Nummer 14 gesprengten Wehrturms der alten Burg der Pfirter Herren, liegt unterhalb «am Rangen», dem allerbesten Rebberg des Elsasses.


Die «drei Tannen» bestehen aus mehreren Stämmen aus dem örtlichen Vogesen-Forstwald und werden gleich hinter dem Münster aufgestellt, das heisst, sie werden kunstvoll der Länge nach gespalten und zu einer umgekehrten Pyramide aufgerichtet.

Am Morgen des 30. Juni werden die derart bearbeiteten Tannen mit Holzspänen und anderen brennbaren Materialien gefüllt. Die Zweige dienen zur Dekoration. Angezündet werden die Tannen mit einer Fackel aber nachts. Die drei Tannen stellen die drei Lichter der Legende dar: Ihre Spitzen sind mit Fahnen in verschiedenen Farben geschmückt.



Für die Herstellung der Tannenpyramiden werden die Stämme mit einer besonderen Mehrblatt-Gattersäge der Länge nach aufgesägt, wobei 1,5 Meter am unteren Stamm-Ende ausgespart werden. Foto zVg OdT, Thann


Die weiße Fahne, Symbol des Adels, zeigt zum Schloss. Die rote Fahne, die an die Farben des Staates erinnert, weist auf das Rathaus. Die blaue Fahne steht für die Geistlichkeit und befindet sich auf der Tanne nahe der Stiftskirche. Angezündet werden die Tannen von Vertretern der Geistlichkeit, des Staates und der Armee, die jeweils vom Thanner Bürgermeister ausgewählt werden, was für die betreffenden Personen ein grosse Ehre darstellt.

Auch heute noch ist das Drei-Tannen-Fest immer noch ein religiöses Fest. Wie in katholischen Gebieten Tradition, sind die religiösen Feste anschliessend jedoch stets auch mit einem fröhlichen Volksfest verbunden und locken jedes Jahr zwischen 5000 und 10‘000 Besucher an. Bereits am Nachmittag gehen den Höhepunkten am Abend verschiedene Musik- und Sportveranstaltungen im Städtchen, das sein reizendes mittelalterliches Gesicht bewahrt hat, voraus.

Der Hauptanlass um 21.30 Uhr ist der Vespergottesdienst in der Stiftskirche, dem Thanner Münster, und wird zu Ehren des hl. Theobald abgehalten - natürlich in vollbesetztem Kirchenschiff.

Gegen 22 Uhr beginnt ein Fackelumzug und gegen 22.30 Uhr der Umzug mit der Statue des hl. Theobaldus, worauf um 23 Uhr die drei Tannen angezündet werden. Und schliesslich endet das Fest mit einem riesigen mitternächtlichen Feuerwerk.

Weitere Informationen im Fremdenverkehrsbüro der Region Thann:

Office de Tourisme de Thann
7, rue de la 1ère Armée
F-68800 Thann
Tel.: 0033 (0)3 89 37 96 20
Fax: 0033 (0)3 89 37 04 58
eMail: office-de-tourisme.thann@wanadoo.fr

Die website des Fremdenverkehrsbüros ist abenteuerlich auf Deutsch übersetzt und eine Lachnummer für sich, sollte ihr Browser die deutsche Sprache vorab bevorzugen, lachen Sie mit: www.ot-thann.fr (Direktlink unten).


Fotostrecke von J.-P. Lienhard, Basel © April 2008



Das ist er, der heilige Theobaldus, der da auf einem Sockel an einem Gemäuer eines dem Münster benachbarten Häuser hockt. Wer genauer auf die Foto sieht, kann feststellen, was man heute in Thann unter Denkmalpflege versteht…




Das Marienleben in der Comix-Bildsprache seiner Zeit: Ein atemraubend spannendes Kunstwerk im grossen Bogenfeld über dem Hauptportal des Theobaldus-Münsters.




Der Name diese Schulhauses erinnert an den Mit-Erbauer des fein ziselierten Münsterturmes, Remigius Faesch von Basel, auf Französisch heisst er «Rémy». Basler wissen es: Das Geschlecht Faesch lebt in Basel weiter, und einer seiner ebenfalls berühmten Repräsentanten von heute heisst auch Remigus Faesch, und die Familie hat sogar ein eigenes Museum… Während Thann in der Zeit des Münster-Remigius zum Fürstbistum Basel gehörte, sind die Faeschs heute jedoch evangelisch-reformiert.




Wer dieser ausgehungerte Mann ist, der seine dürren Rippen und die Stigmata allen Besuchern des Münsters von oben von der grossen Pforte zeigt, kann ich mich leider nicht mehr erinnern. Aber es hat hunderte solcher Figuren aus der christlichen Geschichte über allen Portalen und in allen Bogenfeldern sowie an allen Ecken und Enden. Man kann stundenlang davorstehen, emporblicken und immer wieder ehrfürchtig staunen ob dieser grossartigen Kunst!




Wem ist denn noch die christliche Tradition des Mittelalters gegenwärtig, wer kennt denn noch heutzutage die in Stein gemeisselten Geschichten der christlichen Märtyrer und Heiligen, zumal, wenn er aus evangelisch-reformierter oder nichtchristlicher Tradition stammt? Für viele Bewohner der Region um Thann ist denn wohl die Bedeutung der meisten steinernen Figuren aus dem Bewusstsein verblichen, wie es andere Einwohner gibt, die schon gar keinen Bezug dazu haben. So wie man sich heute kaum mehr in die Legendengläubigkeit des Mittelalters hineinfühlen kann, so gut vorstellbar ist es auch, dass die grossartigen Sakralbauten dereinst mal aus der kulturellen Identität gänzlich verschwinden und zerfallen. Indes: Ausgerechnet über dem höchst bescheidenen Portal der Dorfkirche von Röschenz steht ein Spruch aus der Bibel: «Mit der Zeit nimmt alles ein Ende.» Je nach dem, wie man es nimmt, ist dieser Spruch sogar höchst beruhigend…




Unterschätzen Sie die Thanner nicht, schon gar nicht die Geschäftsleute in der schmucken Altstadt: Sie sind nämlich stets auf der Höhe der Zeit und der Moden…




Und wenn wir schon von Kulturverlust schreiben, Kulturverlust geht allemal einher mit Sittenverfall, so muss auch dieses Bild aus dem Schatten des gegenüberliegenden Thanner Münsters ans Licht der Öffentlichkeit: Drogenhändler und Drogenkonsument brauchen sich heute nicht mehr zu scheuen, ihre kriminellen Aktivitäten unbehelligt vor aller Augen und gar vor einer Touristengruppe vor dem Fremdenverkehrsbüro abzuwickeln! (Aufnahme vom Sonntag, 27. April 2008)


Von Redaktion

Für weitere Informationen klicken Sie hier:

• Deutsche Kauderwelsch-Internetseite des Fremdenverkehrsbüro Thann

• Das Programm 2008 im Format PDF


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