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Artikel vom 19.05.2006

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Elsass - Kultur

Museumsnacht im Ecomusée

100000 Lichter und eine Nacht

Ein historischer Jahrmarkt mit Fahrgeschäften von 1900 bis 1960 wartet am Samstagabend, 20. Mai 2006, ab 19 Uhr, auf Besucher - zum Nulltarif!

Von Jürg-Peter Lienhard



Das berühmte, letzte Salon-Karussell Europas, das «Eden Palladium», unter dem schützenden Hallendach der historischen Jahrmarkt-Abteilung des Ecomusée d'Alsace mit dem Kult-Fahrgeschäft der Ketten-Sesselbahn im Vordergrund. Leider Tageslicht-Aufnahme, aber nachts noch viel schöner. Alle Fotos: J.-P. Lienhard, Basel © 2006



Am Samstag, 20. Mai 2006, der Nacht vor dem internationalen Tag der Museen vom darauffolgenden Sonntag, leuchten im Ecomusée d‘Alsace über 100000 Lämpchen der wunderschönen historischen Fahrgeschäfte der überdachten Jahrmarkt-Abteilung des Museums-Dorfes: Von 19 bis 23 Uhr am Samstagabend drehen Karussells und «Resslyritty» für Grosse und Kleine gratis ihre Runden. Eine weitere Attraktion ist das Abfackeln eines «Bûchers», einer kunstvoll geschichteten Scheiterbeige mit dem Maibaum. Während der samstäglichen Museumsnacht (Eintritt gratis!) ist aber auch das ganze historische Dorf beleuchtet und lädt zu romantischem Spaziergang.

Welche Abteilung im Ecomusée d‘Alsace ist denn nicht für ein nächtliches Fest prädestiniert, wenn nicht die Halle mit dem Jahrmarkt? Da gibt es neben der absoluten Kult-Bahn, dem an Ketten aufgehängten Sessellift, Buden der Handleser und Wahrsager, Schiesstand, Ballenstand, einen riesigen Jahrmarkt-Musikautomaten, Kermesse-Orgeln, Marionetten- und Kasperletheater und ein Lichtspieltheater von 1900 - dem Vorläufer des heutigen Kinos.



Kettensesselbahn - im Hintergrund die Museumsbahn mit einem Panorama-Waggon.



Der König aller Fahrgeschäfte ist jedoch das sagenhafte letzte überlebende Salon-Karussell der berühmten Jahrmarktgeschäfte-Familie Demeyer - nämlich das «Eden Palladium» aus der «Belle Epoque». Es ist für Liebhaber romantischer Stimmung allemal eine Reise wert und für Kenner der Kunstgeschichte oder der Volkskunde geradezu ein Muss! Seine Bedeutung für die Jahrmarktgeschichte ist ebenso spannend, wie auch die Umstände, die es im sicheren Hafen des Ecomusée d‘Alsace aufnahmen.

Es reiste über Jahrzehnte im francophonen Teil Europas von seinem Herkunftsland Belgien bis in die Pyrenäen, überlebte beide Weltkriege und war Teil der Sammlung Lips, die Ende der achtziger Jahre in der Basler Mustermesse einen letzten, phantastischen Auftritt hatte, bevor es als Konkursmasse im Besitz der Genfer, dann der Basler Kantonalbank im Appenzell auf der grünen Wiese strandete. Von dort holte es Marc Grodwohl ins Ecomusée d‘Alsace - es war Liebe auf den ersten Blick! - wo er dem Salon-Karussell den ihm gebührenden Palast darumherum baute.



Das «Eden Palladium» mit seinem tausendfach beleuchteten Salon und dem Karussell in dessen Mitte.



Das «Eden Palladium» war nie ein «Kinderkarussell»; es zielte auf die Unterhaltung der Erwachsenen. Denn es war die Zeit des aufstrebenden Bürgertums, das über Geld verfügen konnte, das nicht mehr nur zum Lebensunterhalt diente, sondern auch zum Vergnügen und Verschwenden ausgeschüttet wurde: Die Feste in diesem rundum spiegelbewehrten Salon-Zelt waren sprichwörtlich. Auf zeitgenössischen Illustrationen sieht man heitere Gesellschaften, die sich vom rasenden Karussell Papierschlangen und Klettkügelchen zuwerfen und Champagner-Kelche in den Händen halten.

Der Erfolg des «Eden Palladium» hatte auch seinen Grund in der damaligen Zeit: Es war die Zeit, als die Menschheit die Geschwindigkeit zu entdecken begann. Noch vermochte das Automobil den leichten Pferdewagen nicht zu folgen, aber es kündigte seinen Durchbruch bereits an. Diese Entwicklung machten sich die stets hellhörigen Jahrmarkt-Geschäftsleute zunutze und verwirklichten ihre Beobachtung auf raffinierte, erstaunliche Weise im «Eden-Palladium»: Während sich das Karussell in Fahrtrichtung dreht, dreht sich dessen noch in buntester, «barocker» Nostalgie-Bemalung gehaltener «Himmel» in Gegenfahrtrichtung.

Das allein bewirkt schon die Illusion einer hohen Geschwindigkeit. Hinzukommt noch das Rattern und Rütteln des Karussell-Tellers auf seinen riesigen hölzernen Rädern, das Auf- und Absenken der Kutschen, Schweinchen und Pferdchen - dies alles zusammen steigert noch heute das Empfinden eines echten Geschwindigkeitsrausches (zumal wenn noch ein wenig unterstützt durch etwas Champagner-Perlen…).

Überhaupt ist das Salon-Karussell ein Zelt voller Illusionen: Tatsächlich ist es ein Zelt, denn es musste ja für die häufigen Ortswechsel rasch ab- und wiederaufgebaut werden können. Doch wird das Zelt kaschiert durch eine riesige, monumental bemalte Holzwand, die den Eindruck eines mächtigen Zirkus vermittelt. Zur Anziehungskraft dieser Salon-Karussells trugen auch die mit Hunderten von Leuchtbirnen bestückten Fronten bei. Denn wiederum: es war die Zeit der aufkommenden Elektrizität. Die ungewohnt verschwenderisch angebrachten elektrischen Lichter zogen die Leute damals genau so magisch an, wie sie es noch heute bei den Insekten verderblich tun…



Das Kindertram aus Vorkriegszeiten.



Die Bemalung, die Sujets, das ist ein eigenes Thema, worüber schon mehrfach doktoriert wurde. Und die Bemalungssujets sind bis heute Zeitzeugen geblieben, zeigen Befindlichkeit und Vorstellungswelt der entschwundenen Epoche, aber vor allem die doch kindlichen Sehnsüchte der damals aktuellen Gesellschaft. Unter ihren Schöpfern gab es beachtliche Künstler - nicht im ehernen künstlerischen Sinne, wenngleich mitunter auch - Künstler, die den Zeitgeschmack zu erkennen oder vorwegahnen vermochten und mittels ihrer Kunst in Bildsprache umsetzten, hintergündig den illusionistischen Trend entlarvten - wenn man die Bilder zu lesen imstande ist… (Doch dies ist eigentlich nicht das Thema dieser Vorschau, aber es ist ein Beispiel dafür, was Gezeigtes im Ecomusée d‘Alsace an gedanklichen Assoziationen zu wecken vermag! Solche Einsichten sind doch schon allein das halbe Vergnügen - oder nicht doch?)



Der Dorfplatz, am Tag, mit dem Maibaum und dem Scheiterhaufen in seiner Mitte.

Sehen Sie sich weitere Bilder mittels untenstehendem Link an!


Die Nacht der Museen, die Nacht des Jahrmarkt-Museums im Ecomusée d‘Alsace

• Der Eintritt am Samstag, 20. Mai 2006 ab 19 Uhr, ist im ganzen Museumsbereich (ohne Mine) GRATIS!

• Das grosse Museums-Restaurant ist geöffnet bis Mitternacht und bietet die ganze Vielfalt der Speisekarte bis zirka 23 Uhr

• Im Jahrmarkt-Quartier gibt es die «Seppi-Stuwa», ein Selbstbedienungs-Restaurant mit gedeckter Terrasse

Tages-Eintritte Einzelpersonen

• Ganztags:
Erwachsene: 9.50 Euro
Kinder bis 16 Jahre: 6.50 Euro

• Halbtags ab 15 Uhr
Erwachsene 6.50 Euro
Kinder bis 16 Jahre: 5.50 Euro

FAMILIEN-BILLETTE
(2 Erwachsene und 5 Kinder bis 16 Jahre)

• Halbtags ab 15 Uhr: 15.50 Euro
• Ganztags: 22 Euro

Gruppen ab 20 Personen

• Halbtags ab 15 Uhr 6 Euro pro Person
• Ganztags 9 Euro pro Person



Kasperla: «Sinn er Alli doo?» - Kinder: «Joooo!»

Von Jürg-Peter Lienhard

Für weitere Informationen klicken Sie hier:

• Noch mehr Fotos zum Ansehen und Runterladen im Format PDF

• Startseite Ecomusée d'Alsace (französisch)

• Das Hotel (Elsässer Fachwerkhäuser) im Ecomusée

• Das Restaurant des Ecomusée d'Alsace


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